P. Martin Berlioux
Sie lieben Gott
„Jede Seele“, sagte die heilige Katharina von Genua, „findet sich, sobald sie im Fegefeuer ist, in einen Zustand der Vollkommenheit und göttlichen Vereinigung erhoben, der den größten Heiligen hier auf Erden als Vorbild dienen könnte.“ Es gibt dort in der Tat eine Vielzahl vorherbestimmter Seelen, die über ihre Leidenschaften triumphieren, die Welt und den Teufel besiegt, die Tugenden am heroischsten praktiziert zu haben und diesen Ort des Exils voller Verdienste verlassen haben.
Sie würden, wie Sterne am Firmament leuchten, wenn das Kleid ihrer Unschuld nicht durch einige Körnlein Staub der Erde befleckt worden wäre. Ja, es sind wunderschöne, heilige Seelen, die allen Unvollkommenheiten abgeschworen haben. Die am wenigsten edle unter ihnen ist mehr wert als das gesamte physikalische Universum.
Sie lieben ihren Gott über alles und vollkommen. Diese Liebe lässt sie ihre Leiden und die Gerechtigkeit lieben, die sie am Ort der Sühne festhält. Öffnete man ihnen die Tore des Himmels, würden sie lieber in den reinigenden Flammen verbleiben, als mit kleinen Unvollkommenheiten in die Herrlichkeit einzugehen. Sie können ihrem Geliebten nicht genug dafür danken, dass Er ihnen einen Ort der Sühne bereitet hat, damit sie jene Ausstrahlung der Schönheit erlangen können, die seinen Bräuten gebührt. Und inniger als Hiob wiederholen sie inmitten ihrer Schmerzen ständig: „Gepriesen sei der heilige Name Gottes!“
Haben wir also Mitleid mit diesen heiligen Seelen, denn sie brauchen unseren Beistand mehr denn je. Eines Tages werden wir die Rollen tauschen, und sie werden unsere Beschützer im Himmel und unsere Vermittler bei Gott sein, und dann werden sie uns mit Freude das zurückgeben, was wir am Tag ihrer Betrübnis für sie getan haben.
Sie sind von Gott geliebt
„Wenn Gott“, sagt ein unbekannter Autor, „uns arme Sünder liebt, die so unvollkommen sind, so bar jeder Tugend und Verdienste, wie viel mehr liebt Er dann diese heiligen Seelen im Fegefeuer, die für immer Ihm angehören und in denen Er die Schönheit seiner Auserwählten erstrahlen sieht.“ Sie sind Ihm unendlich viel lieber. Sie sind Seine Bräute, Seine geliebten Kinder, die Erben Seiner Herrlichkeit, dazu berufen, Ihn im Himmel ewig zu preisen.
Sie alle sind lebendige Steine, die für den Bau des himmlischen Jerusalem bestimmt sind und die durch den Meißel des göttlichen Bildhauers vollendet werden, indem Er sie schleift und poliert, bevor Er sie an den Ort bringt, den Er seit Ewigkeit für sie bestimmt hat. Er liebt sie zärtlich, Er betrachtet sie mit Liebe und Er sehnt sich zutiefst danach, Sich mit ihnen zu vereinen. Sein väterliches Herz leidet unter ihrer traurigen Verbannung, aber seine Gerechtigkeit, die ebenso berechtigt wie gütig ist, hält sie im Gefängnis fest, bis sie alle ihre Schulden bezahlt haben.
Welche Freude also für diesen guten und zärtlichen Vater, wenn ein Freund als Vermittler zwischen die Strafe und die Schuld tritt, um Ihn in Seiner Strenge zu entwaffnen und Ihn mit dem Kind Seiner Liebe zu versöhnen! Wie viele Gründe gibt es, diese gesegneten Seelen zu lieben und ihnen reichlich Barmherzigkeit zu erweisen!
Sie haben unsere Zuneigung so sehr verdient! Wenn wir einem Armen Almosen geben, wissen wir nicht, ob er es verdient, ob er dadurch nicht noch schuldiger und undankbarer wird. Aber hier bemühen wir uns garantiert mit Erfolg. Der Boden, auf dem wir säen, ist stets fruchtbar: Für jedes Korn, das wir dorthin werfen, erntet der Himmel eine Frucht und wir einen Segen.
Die Armen Seelen im Fegefeuer – P. Martin Berlioux
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