P. Martin Berlioux
Wie lange dauert das Fegefeuer?
Die Kirche hat nichts über die Dauer der Strafen im Fegefeuer festgelegt, sie zeigt uns jedoch hinreichend, was sie darüber denkt, indem sie Jahresgedächtnismessen und 30 Gregorianische Leidensmessen für die Seelenruhe der Verstorbenen feiert.
Sie glaubt also, dass die Sühne langwierig sei und sich sogar über Jahrhunderte erstrecken kann. Dies ist auch die Meinung der heiligen Kirchenväter. Kardinal Robert Bellarmin (1542–1621) sagte, dass die Strafen des Fegefeuers für manche Seelen gemäß sehr zuverlässigen Offenbarungen bis zum Tag des Jüngsten Gerichts an dauern könnten, käme die Kirche ihnen nicht zu Hilfe.
Ach, mancher stöhnt dort schon seit vielen Jahren. Wer wird uns das Maß der Zeit und der Qualen sagen, das nötig ist, um für unsere Sünden zu büßen? Um den Rost zu entfernen, den die Folgen unserer Sünden auf der Seele hinterlassen haben, und ihr den Glanz der Schönheit der Engel zurückzugeben! O unergründliches Geheimnis der Gerichte Gottes… Wie sehr trägt doch die Dauer zur Strenge der Strafen bei! Entsetzlich und lange leiden… Warten… Auf unbestimmte Zeit warten…
Welch ein Schmerz und was für ein Martyrium für diese Seelen! Hinzu kommt, dass die Intensität der Schmerzen, die sie ertragen müssen, ihnen Augenblicke wie Monate und Monate wie Jahrhunderte erscheinen lässt.
Was sind die Gründe für die Dauer?
Seien wir nicht überrascht über die schreckliche Dauer der Qualen im Fegefeuer. Eine der heiligsten Nonnen des Ordens von der Heimsuchung Mariens, Schwester Marie-Denise de Martignat († 1653), von der alle Aufzeichnungen dieses Ordens berichten, dass sie mit außerordentlichen Gnaden beschenkt wurde, um den Armen Seelen Linderung zu verschaffen, sagte, dass mehrere Ursachen die lange Dauer der Strafen an diesem Ort der Sühne unvermeidlich machen:
1) die wahre Reinheit, welche die Seele haben muss, bevor sie Gott besitzt,
2) die Vielzahl unserer lässlichen Sünden, die wir nicht bereut und gebeichtet haben,
3) die geringe Reue, die wir empfinden,
4) die geringe Buße, die wir für unsere gebeichteten (Tod-)Sünden tun,
5) die absolute Ohnmacht der Seelen der Verstorbenen, sich selbst zu helfen,
6) unsere Vergesslichkeit, unser seltsames Vergessen der Toten und daher
7) unsere sträfliche Nachlässigkeit, ihnen Erleichterung zu verschaffen.
Diese Überlegungen sind ernst und leider nur allzu begründet. Daher sollten wir in Zukunft nicht voreilig damit sein, unsere lieben Verstorbenen heiligzusprechen. Wir haben so sehr das Bedürfnis, sie am Ort des Friedens und der Glückseligkeit zu glauben, dass wir uns schnell sagen, sie hätten ihn sicherlich erreicht. Deshalb hören wir auf, für sie zu beten.
Sehen wir uns die Heiligen an, wie anders sie dachten und handelten. Ihr ganzes Leben lang beteten sie für diejenigen, die ihnen der Tod genommen hatte. Lasst uns dasselbe tun!
Wir können nicht eine Minute lang einen Finger ins Feuer halten, ohne einen Schrei der Verzweiflung auszustoßen. Warum sollten wir zulassen, dass Seelen, die wir so sehr geliebt haben, durch unsere Nachlässigkeit jahrelang in das verzehrende Feuer des Reinigungsortes gestürzt werden? Das wäre zu grausam! Geliebte Seelen, nein, wir werden euch nie vergessen!
Die Armen Seelen im Fegefeuer – P. Martin Berlioux
Foto: By Gerd Eichmann – Own work, CC BY 4.0 – wikimedia.commons.