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Darf man der Bibel nach wirklich nicht urteilen?

John Ritchie

Jeder, der für moralische Werte einsteht, wird früher oder später einmal des „Urteilens“ bezichtigt werden. Für die meisten Liberalen der Postmoderne ist die einzige Sünde, die noch als sündhaft gilt, zu urteilen. Das einzig Böse ist, zu glauben, dass jemand falsch liegt.

Doch ist es wirklich Sünde, zu urteilen? Wann ist es falsch? Und wie begegnet man dem Vorwurf „Dass du immer gleich urteilen musst!“?

Die kurze Antwort darauf ist einfach.

Sie lautet: „Wenn es immer falsch ist, zu urteilen, wie du behauptest, dann muss es doch auch falsch sein, dass du über mein Urteilen urteilst, oder nicht?“

Liberale haben ein sehr selektives Gedächtnis was die Heilige Schrift anbelangt. Sie zitieren gerne die Stelle „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ (Mt 7:1), ignorieren gleichzeitig jedoch den Kontext. Im selben Kapitel gebietet uns der Herr nämlich, zu urteilen: „Hütet euch vor falschen Propheten, die zu euch kommen in Schafspelzen, doch inwendig sind sie reißende Wölfe.“ (Mt 7:15). Weiters sagt Jesus: „Urteilt nicht nach dem Augenschein, sondern urteilt gerecht!“ (Joh 7:24)

Obwohl Gott allein die Herzen der Menschen kennt und richten kann, können und sollten auch wir Taten mit dem rechten Verständnis und nach dem Gesetz Gottes beurteilen.

Der Heilige Paulus lehrt, dass „der geisterfüllte Mensch über alles urteilt, ihn selbst aber vermag niemand zu beurteilen.“ (1. Kor. 2:15). Die Apostel sagen uns, dass wir nichts zu schaffen haben sollen mit Sündern; „…mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr nicht einmal zusammen essen. Was geht es mich an, Außenstehende zu richten? Habt ihr nicht nur die zu richten, die zu euch gehören? Schafft den Übeltäter aus eurer Mitte weg.“ (1. Kor. 5:11)

Der große katholische Gelehrte Cornelius a Lapide, S.J., erklärt, dass es dann Sünde ist, zu urteilen, wenn es vorschnell, verleumderisch und aus Neid oder Boshaftigkeit geschieht – Laster, die der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und „Gott selbst, dessen Autorität, zu urteilen, man sich dadurch bemächtigt“, widersprechen. Wenn wir eine schlechte Meinung von unserem Nachbarn haben, verletzen wir ihn und „schädigen seinen Ruf, wenn wir dieses Urteil nach außen dringen lassen; denn der Ruf ist ein hohes Gut, weitaus wertvoller als Reichtümer.“

Dann verweist Lapide auch auf die brillante Ausführung des Heiligen Augustinus: „Was jene Dinge anbelangt, von denen Gott weiß, wir aber nicht, gereicht uns das Urteil über unseren Nachbarn zu unserem eigenen Verderben. Hiervon sagt der Herr: Richtet nicht. Doch jene Dinge, die uns bekannte und öffentliche Übel sind, dürfen und müssen wir verurteilen und zurückweisen, immer jedoch in Nächstenliebe und Güte, nicht den Sünder, nur die Sünde hassend, nicht den Kranken verabscheuend, sondern die Krankheit. Denn wenn ein Ehebrecher, Dieb, Trinker oder Verräter nicht verurteilt und gestraft würde, träfen die Worte des Märtyrers Cyprian zu: ‚Wer einen Sünder mit schmeichelhaften Worten tröstet, schafft einen Nährboden für dessen Sünden.‘“

Demzufolge ist es nicht nur zulässig, über Taten anderer zu urteilen, sondern ein geistliches Werk der Barmherzigkeit, den Sünder zu ermahnen. Als Katholiken sollten wir immer in Nächstenliebe die Wahrheit aussprechen.

Originaltext: https://www.tfp.org/does-the-bible-really-say-you-cant-judge/

Bild von Igor Link auf Pixabay