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Gnosis: der Pol der egalitären Verschwörung des Teufels – Teil II

Die vernünftige Reaktion angesichts des Unglücks

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die vernünftige Reaktion ist erstens, dass dieser Mensch nur in dem Maße auf seine Befreiung hoffen kann, wie die konkreten Umstände eine solche Hoffnung zulassen. Wenn es unter den gegebenen Umständen Grund zur Hoffnung gibt, wird er hoffen. Wenn nicht, wird er keine Hoffnung nähren, die größer ist, als es die Umstände erlauben. Diese Haltung ermöglicht es ihm, sich auf die neue Situation einzustellen, in der er sich befindet:

„Dies ist mir widerfahren. Obwohl ich unschuldig bin, muss ich als Sträfling leben. Da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass ich hier herauskomme, muss ich mich dieser Situation anpassen und mich wie ein Mensch verhalten. Im Gefängnis werde ich einige Zeit damit verbringen, darüber nachzudenken, was ich tun sollte, um herauszukommen. Wenn etwas Vernünftiges getan werden kann, werde ich es tun. Wenn nicht, werde ich verstehen, dass es keinen Ausweg aus meiner Situation gibt und werde das Beste daraus machen. Ich bin zu Unrecht verurteilt worden, aber ich akzeptiere diese Realität und passe mich ihr an, ich nehme diese Rolle an und werde nicht auf meinem Zellenbett liegen und über irgendeine ideale, aber unwahrscheinliche Situation fantasieren.“

Tagträumerei bedeutet Nichtübereinstimmung mit der Realität

Stellen wir uns nun die umgekehrte Situation vor: »Ich höre, wie sich die Türen des Zellenblocks öffnen, und der Gefängnisdirektor kommt zu mir und sagt: „Ah, tausendmal Verzeihung! Ich bin hier im Namen des Justizministeriums, um Ihnen die Medaille für große Verdienste zu verleihen. Ihre Familie ist hier, Ihre Ehre wurde anerkannt, und Sie werden hiermit entlassen. Sie gehen nach Hause an einen Tisch, der mit allerlei Süßigkeiten gedeckt ist, Ihre Freunde werden um Sie herum sein, und Ihre Geschichte wird in den Zeitungen erscheinen.“ Und ich antworte bescheiden: „Nein, ich habe nur meine Pflicht getan usw.“«

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Verstehen wir das Elend solcher Phantasien? Nehmen wir an, ich träume das alles, und dann klingelt es und es ist Zeit für mich, die Böden zu schrubben. Niemand hat sich gemeldet, niemand hat mir Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Jahre vergehen, meine Tagträume wachsen und werden mit immer mehr träumerischen Details angereichert, und tief im Innern finde ich mich nicht mit dem Leben im Gefängnis ab und verbringe meine Zeit damit, irgendwelche Dummheiten zu fantasieren, zutiefst unglücklich darüber, verurteilt worden zu sein. Es ist meine Art, mich aufzulehnen und meine Situation abzulehnen.

Die Reaktion eines Menschen, der die Schande, die ihm widerfahren ist, nicht fühlt

Bisher habe ich zwei Haltungen aufgezeigt, eine des gesunden Realismus und eine der Tagträumerei. Es gibt noch eine dritte Haltung, die von Menschen mit einer Art kurzsichtigem und unmittelbarem Realismus eingenommen wird. Der gesunde Realismus mit hohen Horizonten ist der, den ich anfangs beschrieben habe: „Ich werde meinem Leben einen höheren Sinn geben. Ich werde leiden, wie ein unschuldiger Mensch leidet, aber dieses Leben wird großartig sein.“ Der zweite Fall zeigt eine Unmittelbarkeit der Verzweiflung. Und ein Mensch in der Mitte ist weder das eine noch das andere. Er betritt das Gefängnis wie ein Tier und denkt nicht darüber nach, was mit ihm geschieht. Er spürt kaum die Schande, die ihm widerfahren ist.

Diese drei Geisteshaltungen koexistieren im modernen Menschen

Im Allgemeinen sind dies die drei Haltungen, mit denen der moderne Mensch dem Leben gegenübertritt. Meiner Meinung nach nehmen die meisten Menschen keine dieser Haltungen vollständig an. Die Unausgeglichenen nehmen eine Haltung der Unwirklichkeit ein; diejenigen, die die Haltung der heilsamen Akzeptanz einnehmen, sind sehr selten. Die meisten Menschen haben einen Teil der Zeit eine heilsame Akzeptanz, dann eine gute Zeit, in der sie ihre Situation ohne viel Nachdenken akzeptieren, und dann eine gute Dosis von Tagträumerei und Unwirklichkeit. Ich erlaube mir zu sagen, dass ein Großteil der modernen Unausgeglichenheit und Verrücktheit genau daher kommt, dass in unzähligen Köpfen eine Art Tagtraumzone existiert.

Der Fallstrick des Tagträumerei und Fantasierens

Ich glaube, dass es für das geistliche Leben nichts Wichtigeres gibt, als jede Art von Fantasie aus dem eigenen Geist zu verbannen. Machen wir uns keine Illusionen: Solange ein Mensch Phantasien in seinem Geist hat, ist sein spirituelles Leben nicht ernsthaft. Alle Tagträumereien müssen eliminiert werden, als ob sie der Teufel selbst wären. Wir müssen die Dinge sowohl realistisch als auch mit einem erhabenen Blick auf die konkreten Umstände, in denen wir uns befinden, betrachten.

(…)

Auf jeden Fall können wir sagen, dass das Unglück die erste Phase des Tagtraumprozesses ist. In der zweiten Phase wird die Phantasie als Heilmittel für dieses Unglück gebildet. Und in der dritten Phase, der schwierigsten, beginnt die Phantasie, sich zu verwirklichen. Dies ist die Phase der Narrheit.

Zum Beispiel phantasiert jemand über Geschäftsabschlüsse oder stellt sich vor, er sei der Präsident einer Aktiengesellschaft. In seiner Fantasie ist das erste, was er tut, nicht diese Firma zu gründen, sondern ihren Präsident zu spielen, indem er Kleidung und Möbel kauft und die Allüren eines CEOs annimmt. Dann beginnt er, die Firma zu gründen, sucht sich ein lukratives Geschäft aus und wählt Partner aus, die die Rolle des Vorstands spielen. Die Sorge um den Profit kommt zuletzt. Das Ergebnis: Da er nur eine Rolle spielt und die anderen dazu da sind, ihn zu schröpfen, erleidet er schwere Verluste und geht bankrott.

Eine andere Reihenfolge der Phantasien würde von jemandem kommen, der eine lustige Person kennt und beschließt, dass auch er lustig sein wird, weil er es vorteilhaft findet. Im ersten Moment bewundert er sie. Im zweiten beneidet er sie, im dritten beginnt er, davon zu träumen, und schließlich setzt er die Fantasie in Gang. Dadurch entsteht ein Vakuum um ihn herum, und er ist derjenige, der anderen hinterherläuft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er versucht hat, seine Fantasie zu verwirklichen.

Damit die Tagträume eines Menschen eine gewisse Vitalität haben, müssen sie eine gewisse Möglichkeit haben, wahr zu werden. Man träumt nie von völlig unmöglichen Dingen. Sie müssen zumindest metaphorisch möglich sein.

Warum träumt ein Mensch? Er tut es aus einer Bewegung heraus, die tief aus seinem Inneren kommt, wenn er die Situation, in der er sich befindet, nicht akzeptieren will. Um jenes Glück zu verwirklichen, nach dem er auf jede erdenkliche Weise strebt, bereitet er eine Art Phantasie vor, ein Schloss, eine Illusion, in der er sich sicher fühlt.

Der unmögliche Traum des Teufels

Die Schande des Teufels ist so tief, dass er nicht einmal das haben kann. Der Teufel ist ein höchst lichtvoller Engelsgeist und weiß ganz genau, dass er es nicht schaffen kann, sich über seine eigenen Verhältnisse – die er selbst geschaffen hat – hinwegzutäuschen. Aber in gewisser Weise ist auch er in der Lage, seine eigene Phantasie zu haben. Das geschieht, wenn er merkt, dass es ihm gelingt, durch seine List und Lüge viele Menschen an das glauben zu lassen, was er gerne hätte, dass das Universum so sei, wie er es gerne hätte, und so viele Menschen für ihn im Hinblick auf seiner umfassenden Fantasie, die er geschaffen hat, leben zu sehen. Dies wäre in gewisser Weise die Verwirklichung dessen, wonach er strebt.

Kommunistische Jugend bei einer Demonstration in Berlin.

Wenn die Revolutionären (*) in der Lage wären, alle Menschen in einem bestimmten Land dazu zu bringen, die gleiche Art von Kleidung zu tragen, um keine Hierarchie zu etablieren, würden sie dies tun, um so viel wie möglich Einheitlichkeit zu erreichen. Und die gnostische Lehre gibt zu, dass diese Einheitlichkeit im nächsten Leben erreicht wird, indem alles auf die primitive Einheit, den Abgrund usw. reduziert wird.

(*) Diejenigen, die die Revolution vorantreiben (im Sinn von „Revolution und Gegenrevolution“ des Autors)

Quelle: p-c-o.blogspot.com

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay