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Die der Schlange den Kopf zertritt

Cesar Franco 

Juan Bernadino war überrascht, seinen Neffen in Begleitung des Bischofs und einer Menge Verehrer zu sehen. Natürlich fragte er gleich, was denn los sei. Die Geschichte des Wunders wurde noch einmal erzählt, und Juan Bernadino bestätigte, dass er völlig geheilt sei. Die Mutter Gottes wäre ihm erschienen und hätte ihn geheilt. Sie hatte ihm erzählt, dass sie gerne Santa María de Guadalupe genannt werden würde. Guadalupe hat im Spanischen einen sehr ähnlichen Klang wie das Náhuatl-Wort Coatlaxopeuh, was „Ich habe mit dem Fuß die Schlange zertreten“ bedeutet.

Der Bischof stellte sodann die Tilma in der Kathedrale von Mexiko zur öffentlichen Verehrung aus und rief alle dazu auf, beim Bau der neuen Kirche mitzuhelfen, die schließlich am 26. Dezember 1531 fertiggestellt wurde. An jenem Tag wurde eine feierliche Prozession gehalten, von der Kathedrale zur neuen Kirche. Alle Spanier und Indios, kirchliche und staatliche Würdenträger, begleiteten Unsere Liebe Frau von Guadalupe zu ihrem neuen Heiligtum. Die Indianer führten Tänze ihr zu Ehren auf und bestreuten den ganzen Pfad zum Tepeyac Hügel mit Blumen.

Betört von der festlichen Freude schoss ein übereifriger Indianer einen Pfeil ab, der den Hals eines anderen tödlich durchbohrte. Schreie wurden laut; alle beklagte den toten Indianer. Alsbald begannen alle, erfüllt und getrieben von Gnade, darum zu bitten, seinen leblosen Körper vor die Tilma zu legen. Als die Menge dann Unsere Liebe Frau von Guadalupe um Hilfe bestürmten, erwachte der tote Indianer wieder zum Leben und sein Hals war sofort geheilt. Groß war der Jubel, als er sich auf seine Füße aufrichtete. Gestärkt durch das Wunder setzte sich die Prozession fort und das Bild wurde in den neuen Schrein aufgestellt.

Wunder, die die Wissenschaft vor Rätsel stellen

Das Gewebe der Tilma (Umhang) besteht aus Kaktusfasern, die eine maximale Erhaltungsdauer von 20 Jahre besitzen. Das Bild auf der Tilma ist nun schon fast 500 Jahre alt –1531 bis heute – und das Gewebe weist nicht das geringste Zeichen eines Verfalls auf. Die Wissenschaft hat bis heute keine Erklärung dafür. Im 18. Jahrhundert wurden von Dr. José Ignácio Bartolache zwei Nachbildungen des Bildes angefertigt und neben das Original gestellt. Doch diese Nachbildungen zerfielen bereits nach einigen Jahren.

Über die Jahre haben Gläubige versucht, die Tilma sogar noch zu „verschönern“. So wurde das Haupt Unserer Lieben Frau mit einer Krone verziert und Engel in den Hintergrund gemalt. Allerdings haben sich diese „Zusätze“ im Gegensatz zur Tilma ausgebleicht und sind nicht mehr sichtbar. Die Sonnenstrahlen zum Beispiel wurden mit Gold überzogen und der Mond mit Silber beschichtet. Auch diese Ausschmückungen sind mittlerweile verschwunden, und der silberbeschichtete Mond ist sogar schwarz geworden.

Wissenschaftler können sich nicht erklären, auf welche Weise das Bild in den Mantel geprägt wurde. Weder Pinselstriche noch vorgezeichnete Linien sind sichtbar.  

Der Chemie Nobelpreisträger Richard Kuhn versicherte, dass das Bild Unserer Lieben Frau von Guadalupe keine natürlichen, tierischen oder mineralischen Pigmente enthält. Das Bild auf der Tilma lässt sich nicht auf natürliche Weise erklären.

Das größte Wunder ist jedoch wohl, dass sich in den ersten sieben Jahren nach den Erscheinungen 8 Millionen Indios zum Glauben bekehrten. Die Missionare der Franziskaner und Dominikaner waren Tag und Nacht mit Taufen und der Spende von Sakramenten beschäftigt. Durchschnittlich wurden in diesen sieben Jahren täglich über 3 000 Indios getauft.

Symbolik der Tilma

Die wundersame Tilma ist den Mexiko-Indianern wie ein Katechismus Unterricht. Unsere Liebe Frau stellt die Sonne in den Schatten, wodurch sie ihre Überlegenheit gegenüber dem Aztekischen Sonnengott bezeugt. Sie steht auf dem Mond, zertritt also den Aztekischen Mondgott mit ihren Füßen. Umgeben ist sie von Wolken und Engeln, was zeigt, dass sie nicht von dieser Erde ist. Dennoch sind ihre Hände zum Bittgebet gefaltet, und ihr Kopf ist in demütiger Weise leicht zur Seite geneigt, was bedeutet, dass sie, wenngleich sie auch die heidnischen Götter zertritt, nicht Gott ist. Um ihren Nacken trägt sie eine Brosche mit einem Kreuz, womit sie die Menschheit zum obersten aller Wesen, zum Gott der Christen führt.

Möge die Güte und Sanftmut, die Unsere Liebe Frau dem Heiligen Juan Diego gegenüber ausgedrückt hat, auch unsere Leser zu einer größeren Verehrung der Muttergottes ermutigen. Wie jede gute Mutter kämpft sie unnachgiebig gegen all jene, die ihren Kindern Schaden zufügen wollen. Somit ist sie auch uns von ganz besonderer Hilfe im Kampf gegen das Böse, mit dem wir täglich konfrontiert sind. So sei unser Schlachtruf: “¡Viva la Virgen de Guadalupe!” „Es lebe Unsere Liebe Frau von Guadalupe!“

Foto: Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1436071